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DMP Adipositas … jetzt alles gut?

Vergangenen Donnerstag hat der Gemeinsame Bundesausschuss als höchstes Organ der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, das DMP Adipositas in die Richtlinien aufgenommen.

Viele Jahre haben Fachgesellschaften und vor allem die Patientenorganisation dafür gekämpft und es immer wieder eingefordert. Ich hatte hierzu auch schonmal was geschrieben.

Wie kam es zum DMP Adipositas?

Kurz zur Einordnung. Normalerweise entscheidet der G-BA für welche Krankheitsbilder es DMPs – also strukturierte Behandlungsprogramme – gibt.
Da man sich über Jahre aber nicht dazu hinreissen lassen wollte, hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 hierfür beauftragt. Die Freude war entsprechend groß. Je nach Sichtweise.

Wie es begann

Ende September 2021 nahm die Arbeitsgruppe DMP Adipositas auf. Im Blick das vom Gesetzgeber gesetzte Ziel „In 2 Jahren müsst Ihr fertig sein“. Nach meiner ersten Euphorie war mir recht schnell klar, dass das nix wird. Zahlreiche Sitzungen, viele Diskussionen über Krankheitswert nud Krankheitslast der Adipositas.

Was kam denn jetzt beim DMP Adipositas heraus?

Jaaaa, was soll ich sagen. Obwohl der Auftrag des G-BA war, vor allem ein DMP Adipositas für Menschen mit der Erkrankung Adipositas zu entwicken, die noch nicht in anderen DMPs erfasst sind UND der präventive Ansatz zur Vermeidung von Komorbiditäten im Fokus stehen sollte, hat man sich seitens der Kostenträger (GKV-SV) und der Leistungserbringer (KBV) dazu entschieden, Menschen deren Krankheitslast noch nicht mit zahlreichen Begleiterkrankungen gespickt ist, einzuschränken.

Die Einschlusskriterien für das DMP Adipositas

  • Adipositas Grad 1 (BMI ab 30 und kleiner 35 kg/m²) und mindestens einer Begleiterkrankung. wie
    • Diabetes mellitus Typ 2 (existierendes DMP)
    • Arterielle Hypertonie
    • Obstruktives Schlafapnoe (DMP COPD)
    • Stabile koronare Herzkrankheit (existierendes DMP)
    • Stabile chronische Herzinsuffizienz (existierendes DMP)
    • Prädiabetes (HbA1c 5,7% bis 6,49%)
  • Ab BMI 35 kg/m² ohne Begleiterkrankungen

Für 3 – 4 Begleiterkrankungen existieren also schon Chronikerprogramme. Aber kein Problem. Wir warten einfach bis die Menschen richtig krank sind.
Aus meiner Sicht ist der Auftrag des Gesetzgebers nicht erfüllt.
Gefühlt wurde es angstgefühlt erstellt.

Was das alles kostet!

oder

Wer soll die Menschen alle behandeln?

Eine typisch deutsche Diskussion. Anstatt nach Lösungen suchen wir immer nach Problemen und Hindernissen. Klar kostet ein DMP Adipositas erstmal Geld. Wenn wir es richtig machen, dann rechnet sich das auf die Jahre. Der volkswirtschaftliche Schaden durch die Adipositas ist enorm.

Welche Therapien wird es denn nun geben?

Ha, das ist die spannende Frage. Funktionierende Patientenschulungen / Therapieprogramme wurden nicht aufgenommen, weil diese eine Nahrungsersatzphase beinhalten die kraft Gesetz von der Finanzierung ausgeschlossen sind. Dummerweise wirken die ganz gut.

Andere sind nicht flächendeckend verfügbar oder existieren gar nicht mehr.
Wichtig zu wissen ist, dass man nicht irgendein Programm nehmen kann. Hier werden veröffentlichte Studien benötigt.

Es gibt allerdings regional wirklich tolle und funktionierende Programme. Oder eben auch vom BDEM mit DocWeight.
Das Problem ist, dass Studien sehr teuer sind. Auf der anderen Seite werden allerdings auch regional Verträge zwischen einzelnen Kassen und Leistungserbringern für Programme geschlossen, wo die Hürden nicht so hoch sind. Versteht Ihr nicht? Kein Problem. Ich auch nicht.

Große Hoffnung medikamentöse Therapie

Medikamente wie Wegovy oder bald kommend Mounjaro und andere sind nach Einschätzung des G-BA von der Erstattung nach §34 SGB V (Lifestyle-Paragaraf) ausgeschlossen. Die ersten Juristen sind schon anderer Meinung.
Also alles was zur Appetitzügelung oder Abmagerung beiträgt. Ja, so steht es im Gesetz.
Nun frage ich mich aber folgendes.

  • Wenn die Medikamente eine Störung des Hormonhaushalts regulieren, ist es dann noch Lifestyle?
  • Warum bezahlen wir Medikamente für Erkrankungen, die nachweislich auf die Erkrankung Adipositas zurückzuführen sind?
  • Warum behandeln wir nicht endlich die Ursachen??

Damit meine ich nicht, dass alle sofort Medikamente erhalten sollen.

Wie würde ich es machen?

Mein Vorschlag wäre, die Therapie in Eskalationsstufen einzuteilen

  1. Bei Adipositas Grad 1 in einer Patientenschulung mit dem Schwerpunkt Ernährung und Verhalten
    Es wäre übrigens kein Problem, die Ernährungsberatung durch Ernährungsfachkräfte in den Bewertungsausschuss des G-BA zu geben, den Nutzen mittels Studien zu ermitteln und dann in die Erstattung zu bringen. Man muss es nur wollen.
  2. Einsatz der medikamentösen Therapie unter Begleitung der behandelnden Ärzte und Ernährungsfachkräfte.
    Es macht keinen Sinn einfach zu spritzen und widerspricht auch der Meinung viele Fachleute.
  3. Bariatrische / metabolische Chirurgie
    Je nach Krankheitslast ist auch ein früherer Ansatz dieser Therapieoption notwendig.
    Eine postoperative Langzeitversorgung ist hier allerdings unabdingbar.
    Das  Innovationsfondprojekt ACHT hat gezeigt, dass die Nachhaltigkeit hier absolut gegeben ist.

Was bleibt denn nun?

Ja, nicht viel würde ich sagen. Wenn ich es positiv sehen möchte, würde ich sagen, es ist ein Anfang gemacht. Ich befürchte allerdings, dass es wie bei anderen DMP keine Versorgungsverträge geben wird und das DMP Adipositas ein Papiertiger bleiben wird.

Möglicherweise wird das Bundesministerium für Gesundheit auch feststellen, dass der Gesetzesauftrag nicht erfüllt ist und man in die nächsten Runde gehen muss.

Auch vor dem Hintergrund, dass man sich seitens des Ministeriums die Vermeidung von Herzkreislauf Erkrankungen auf die Fahnen geschrieben hat, die Adipositas häufig die Ursache ist.

Solange es allerdings Berufsverbände (eigentlich nur einen) gibt, die gegen alles sind, die wissenschaftlichen Evidenzen zur Therapie der Adipositas anzweifeln, das DMP Adipositas ablehnen und komische Dinge in Anhörungen schwurbeln, Leitlinien blockieren, bin ich nicht sicher ob wir das Problem mit dieser Erkrankung in den Griff bekommen. Das ist echt Übel.

Wednn Ihr mehr über DMP erfahren wollt könnt Ihr auf den Seiten des G-BA schauen. Da gibt es die unterschiedlichen Richtlinien und Inhalte. Nicht ganz leicht zu lesen aber spannend.

 

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4 Kommentare

  1. Doris Steinkamp Doris Steinkamp 19. November 2023

    Guten Morgen, lieber Michael, so eine tolle Zusammenfassung und Darstellung der komplexen Thematik. Wir müssen alle gemeinsam weiter aktiv bleiben, Forderungen stellen und dafür Sorge tragen, daß die Krankheit endlich ernst genommen . Verbreite diese super Zusammenfassung wo es überall geht.
    Wir machen weiter!!!

  2. Christel Moll Christel Moll 19. November 2023

    Danke Micha auch für Deinen persönlichen Einsatz!

    Es ist ein kleiner Tropfen auf dem heissen Stein und jetzt heißt es, dass der nicht schnell verdampfen darf.

    Es ist immer noch so dass Menschen, die unter der Krankheit Adipositas teilweise extrem leiden, der deutschen Bürokratie zum Opfer fallen. Die Bedürfnisse und die Notwendigkeit wird einfach nicht gesehen.

    Wir alle werden nicht nachlassen!
    Liebe Grüße
    Christel

  3. Eder Adalbert Josef Eder Adalbert Josef 21. November 2023

    Danke Michael für deinen tollen Einsatz und den super Artikel.
    Adipositas ist und bleib ein lebenslager Kampf, den wir nur alle zusammen schaffen.
    Nur gemeinsam sind wir stark.

  4. Susanne Susanne 23. November 2023

    Michael, Danke, dass du dich so einsetzt und Danke für diesen Blogbeitrag. Sehr teilenswert!!!
    Susanne

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