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Probleme mit den Zähnen nach Magenoperation?

Über Probleme mit den Zähnen redet man im Allgemeinen nicht so gerne. Es ist ein Thema, welches häufig mit dem Thema Hygiene in Verbindung gebracht wird. Auch wir – also Steffy und ich – mussten uns von unserem Zahnarzt oft folgendes anhören

Sie müssen besser Ihre Zähne putzen!

In den letzten Jahren folgten einige Parodontosebehandlungen und in manchen Wochen haben wir den Zahnarzt öfters gesehen als uns.
Sogar die Kieferknochen schienen keine Lust mehr zu haben und bildeten sich einfach zurück.

Ich hatte das Thema in einem Beitrag bereits schonmal angesprochen

Zahnausfall und Parodontose durch unterlassene Hygiene?

Irgendwann fragten wir unseren Zahnarzt ob die Probleme denn nicht auch eine Folge des Magenbypasses sein könnten. Er verneinte dies zuerst, fragte dann allerdings wie wir darauf kommen würden.

Es folgte ein kleiner Grundlehrgang „Der Magenbypass und die Auswirkungen auf die Nährstoffaufnahme, insbesondere Calcium“
Auf Deutsch

Wo holt der Körper sein Calcium her, wenn er im Blut keines mehr hat?

Unsere Argumentation war, dass wenn der Köper nicht mehr genug Calcium im Blut zur Verfügung hat, dann holt er sich es aus den Knochen und den Zähnen. Nicht umsonst werden durch die ASMBS auch Knochendichtemessungen empfohlen.
Beim nächsten Besuch eröffnete uns der Zahnarzt, dass dies natürlich eine Ursache sein kann. Aber wir sollten die Mundhygiene trotzdem nicht vernachlässigen.
Ok … er machte sich Gedanken über das Thema. Das ist schonmal gut.
Seit dem kommen von ihm keine unterschwelligen Vorwürfe mehr. Vielleicht hat er auch einfach resigniert und nimmt den Umsatz für den Zahnersatz mit. Einige Zähne habe ich ja noch.
Und danach gibt es ja noch die „Wartung“ für die Ersatzteile 😉
Aber so schätze ich ihn eher nicht ein.

Gibt es denn Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Magenoperation und Zahnproblemen?

Es ist spannend. Wenn ich mich mit anderen Langzeitoperierten unterhalte und davon erzähle, erwidern diese oft

Ja, das ist bei mir auch so aber der Zahnarzt glaubt mir nicht und ich traue mich nicht andere zu fragen.

Es ist also irgendwie ein Tabuthema.

Bereits im Jahr 2009 gab es in den USA eine Publikation, die zu dem Schluss kam, dass neben der Mundhygiene auch die postbariatrische Ernährungsweise ein Indiz für die Problematik sein kann. In Verbindung mit Reflux steigt die Gefahr sogar noch. Es wurde empfohlen, dass potientelle Zahnprobleme nach einer bariatrischen Operation in die Überlegung der behandelnden Ärzte mit einbezogen werden sollen.
Die Daten waren allerdings nicht ausreichend um dies abschließend bewerten zu können. Das ist nun aber auch schon 11 Jahre her.
Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5467377/

Ein Beitrag in der „Dimensions of Dental Health“ habe ich erstmalig genauere Aussagen über den Zusammenhang gefunden

Da die nach der Operation aufgetretenen Nährstoffmängel die Knochengesundheit gefährden, ist diese Patientenpopulation innerhalb von Monaten nach dem Gewichtsverlust für Parodontalerkrankungen anfällig.

und

Eine der häufigsten Nebenwirkungen der RYGB-Operation ist ein Anstieg des Säuregehalts im Mund aufgrund von Erbrechen und gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD). Nach einer RYGB-Operation gaben 79% der Patienten Erbrechen als häufigstes Symptom an, mit 56% Erbrechen mindestens einmal pro Woche 6 Monate nach der Operation. Dies kann durch die Unfähigkeit der Nahrung verursacht werden, durch die Verbindung zwischen dem kleinen Magenbeutel und dem Jejunum zu gelangen. Erbrechen kann auch bei Patienten auftreten, die zu schnell essen, zu viel essen oder zu wenig kauen.

Quelle: https://dimensionsofdentalhygiene.com/article/treating-patients-after-weight-loss-surgery/

In einer Publikation aus dem Jahr 2019 wurde ein Fallbericht einer Frau aus Australien veröffentlicht, der sehr lesenswert ist.
Hier geht es weniger um das „Warum“ sondern wie diese Frau mit einem BMI von 65 kg/m² behandelt wurde.
Im Fazit auch hier der Hinweis, dass

Der Mangel an Literatur in Bezug auf Fettleibigkeit und Zahnkrankheiten zeigt, dass weitere Forschung in dieser Population erforderlich ist.

Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6387696/

Auch in verschiedenen englischsprachigen Foren finden sich Erfahrungsberichte von Betroffenen mit der gleichen Problematik.
Sogar Webseiten von Zahnarztpraxen aus den USA und Mexiko habe ich gefunden, die das Thema und die Problematik erklären und versuchen Hilfestellung zu geben

Mein Fazit zu Probleme mit den Zähnen nach Magenoperation?

Es ist wie immer mit unserer Erkrankung Adipositas.

Man weiß, dass da was passiert. Aber genau was …

Neben einer stärkeren Zahn- und Mundhygiene, können Ernährung sowie Mineralien und Vitamine ein Schlüssel zur Verbesserung der Problematik sein. Bedenkt immer, dass zum Beispiel beim Magenbypass der Teil des Darms (Jejunum) ausgeschaltet ist, der viele wichtige Mineralien und Vitamine aufspaltet und verarbeitet.

Mangels entsprechender Forschung wird es allerdings noch dauern bis wir genaueres wissen.

Wie sind Eure Erfahrungen?

P.S. Ach ja .. die Links zu den Veröffentlichungen führen alle zu englischen Seiten. Deutschsprachige Quellen mit brauchbarem Inhalt habe ich leider keine gefunden.
Manche Browser bieten mittlerweile schon eine automatische Übersetzung an. Oder Ihr nutzt eine Übersetzungsseite.

 

 

 

 

 

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5 Kommentare

  1. Natalie Natalie 16. November 2020

    Wow Danke Micha das hast du sehr gut und sicher lange recherchiert und geschrieben.
    Endlich mal jemand der sich auch damit befasst.
    Ich kann aus eigener Erfahrung berichten. Ich bin 32 Jahre jung und seit knapp 2 Jahren operiert. Durch häufiges fast täglichem erbrechen durch das dumping Syndrom werden meine Zähne immer schlechter. Fast alle sind schon behandelt und dieses Jahr 6 Zähne gezogen worden weil sich der kiefer abgebaut hat bei meinem Glück nehme ich echt alles mit. Ich freu mich über Kommentare und Rückmeldungen.

  2. Juliane G. Juliane G. 19. November 2020

    Ja, ich habe auch Probleme 5 Jahre Post Op. Meine Zähne sind zum Teil durchsichtig, glasig geworden. Viele dunkle braune Flecken, die nun nicht mehr entfernt werden können. Die Zähne sehen faulig aus und haben zum Teil Löcher und verlieren die Plomben. Meine Zahnärztin streitet den Zusammenhang zur Magenbypass Operation, dem Nährstoffmangel, Vitaminmangel ab. Meine Laborwerte sagen alles, was den Mangel betrifft.

  3. Hubert Hubert 8. März 2021

    Hallo Micha, Danke für deine wertvollen Recherchen und Bemühungen uns darüber aufzuklären, wovon eigentlich die „Experten“ am besten Bescheid wissen sollten: die (operierenden) Adipositasmediziner selbst.

    Jetzt muss ich einmal naiv fragen: Wenn ein Calcium-Mangel ursächlich für den Abbau von kritischer Knochenmasse ist, würde es nicht schon helfen dieses ausreichend hoch über diverse Nahrungdergänzungsmittel zuzuführen? Z.b. hochdosierte Calciumpräparate unter Berücksichtigung der Einnahmehinweise.

    Danke und beste Grüße
    Hubert

    • Micha Micha Autor des Beitrages | 8. März 2021

      Hallo Hubert,
      ja, mit Deiner Einschätzung liegst Du richtig. Es gibt hochdosierte Calcium Citrat Präparate, die das verhindern sollen.
      Nun hängen wir da wieder bei den „alten“ Problemen. Niemand hat sich die postoperative Langzeitentwicklung angeschaut -> also geforscht UND es gibt leider immer noch zu viele Behandler, die der Meinung sind, dass Standard Vitamine / Mineralien ausreichend sind. Es gibt hierfür leider keine Evidenz und somit wird es auch nicht wirklich berücksichtigt.

  4. Janine Janine 2. Juli 2022

    Wow. Vielen Dank lieber Micha

    Ich bin vir ca 4 Wochen operiert und habe einen Schlauchmagen bekommen.
    Gestern musste ich dann schockiert feststellen dass meine Zähne anfangen sich zu verfärben. Mehr blauschwarz als dunkel gelb oder so.
    Jetzt muss ich sagen, dass ich sehr sorgfältig mit meinen Zähnen bin und es mich schockiert hat. Das ist mir richtig peinlich.

    Liegt das vielleicht auch an dem Calcium?
    Ich musste mich bisher nicht übergeben, aber ich bekomme gemeine Magenkrämpfe wenn ich was nicht vertrage. Und der üble Geruch und Geschmack im Mund war bis vor ein paar Tagen wirklich schlimm.

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