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Das Positionspapier der DEGAM zur Prävention und Therapie der Adipositas

Vor ein paar Tagen hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ein

Positionspapier zu Prävention und Therapie von Adipositas

veröffentlicht.

Es ist ein wenig skurril.
Man spricht sich GEGEN die Einführung eines Disease Management Programms (DMP) im hausärztlichen Bereich aus, da es keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz gäbe.
Gleichzeitig sieht man eine klare Verantwortung der Allgemeinmedizin für die komplexe Behandlung von Adipositas in der Primärarztversorgung.

Spannend finde ich, dass man hier schon Aussagen zu einem DMP trifft welches noch gar nicht fertiggestellt ist.  Zumal man sich jahrelang nicht wirklich um die Menschen mit Adipositas gekünmmert hat. Das hat sicherlich auch mit den vermeintlich wenigen Möglichkeiten und der mangelhaften Finanzierung zu tun. Bei letzterem kann ich das auch nachvollziehen. Niemand von uns will kostenlos arbeiten.

Die leitliniengerechte konservative Therapie der Adipositas ist im Moment quasi Privatsache. Krankenkassen bezuschussen vielleicht Teile dieser Therapie. Je nach Wohnort und Kassenzugehörigkeit hat man vielleicht Glück und muss nicht zu tief in die Tasche greifen.

Erst die chirurgische Therapie wird von den Kassen finanziert.
Aber auch diese wird von einigen Hausärzten kritisch gesehen. Wobei es langsam besser wird.
In der Langzeittherapie nach Chirurgie müssen Betroffene häufig einen Teil der Blutwerte selbst zahlen, weil man Angst um sein Laborbudget hat. Also was tun?

Das Verhältnis zwischen der DEGAM und der Adipositas ist seit jeher schwierig. Teilweise wurde und wird der Krankheitswert der Adipositas angezweifelt (auf Deutsch: Ist Adipositas überhaupt eine Erkrankung?), teilweise werden Therapieempfehlungen in Zweifel gezogen.

Schwierig finde ich in dem Positionspapier unter anderem folgende Absätze:

Die Einführung eines DMP bedeutet eine zusätzliche zeitliche Belastung der hausärztlichen Praxen. Aufgrund des inverse care law und der geringeren Arztdichte in soziodemografisch unterprivilegierten Regionen werden von einem DMP eher die sozial besser gestellten Gruppen profitieren und nicht unbedingt diejenigen, die das größte Risiko für Adipositas-assoziierte Erkrankungen haben.

Wie macht man das mit den anderen Patienten in diesen Regionen? Am Ende bedeutet das doch, dass man die Zeit für Menschen mit Adipositas nicht aufwenden kann / will?

Ihr erinnert Euch, dass ich oben geschrieben hatte, dass man teilweise den Krankheitswert der Adipositas anzweifelt?

Adipositas ist nur ein Symptom (und gleichzeitig oft Risikofaktor) für grundlegende Erkrankungen. Begünstigt werden Übergewicht und Adipositas durch genetische Prädispositionen und vor allem durch Bewegungsmangel, Ernährungsverhalten und insbesondere auch die soziale und psychische Situation der Betroffenen. Eine Reduzierung auf ein einzelnes Element wird dem Problem nicht gerecht.

Typ 2 Diabetes, Hypertonie, Schlafapnoe und vieles mehr werden durch die Adipositas begünstigt. Und jetzt? Lassen wir die Versorgung von adipösen Menschen dieser Patientengruppen einfach? Ach nee .. DIE sind ja krank.

Und wer spricht denn von einem einzelnen Element?

Mir ist durchaus bewußt, dass Praxen eine ziemliche zeitliche Belastung haben. Ich bin aber ziemlich sicher, dass es einen Weg gibt. Ihr müsst die Welt nicht alleine retten. Ehrlich gesagt hätte ich gedacht, dass man ich nun freut, dass man den Patienten endlich was anbieten kann.

Und hört bitte auf den Krankheitswert anzuzweifeln.

Neue Medikamente gibt es. Na ja .. so neu sind die nicht. Es sind quasi Diabetes Medikamente bei denen man festgestellt hat, dass sie bei Adipositas wirken. Nun eben nur unter anderem Namen und bereits zugelassen. Weitere befinden sich in Studienphasen.
Dummerweise dürfen diese wegen dem §34 SGB V nicht durch die Kassen finanziert werden. DAS wäre doch mal ein Ansatz für Euch.
Und zweifelt ihr Mobidität und Mortalitätsrisiken auch bei neuen Medikamenten anderer Krankheitsbilder so vehement an?

Zwischendurch wird dann auch noch die AHEAD Studie zitiert, die nach einigen Jahren erfolglos abgebrochen wurde, weil kaum einer der Teilnehmer effektiv Gewicht verloren hat. Das ist aber schon knapp 10 Jahre her und es hat sich einiges weiterentwickelt.
Klar ist die Therapie nicht einfach und es ist schwer für die Betroffenen die Adhärenz hochzuhalten. Das ist aber wie bei vielen anderen Krankheitsbildern auch. Also nichts neues.

Und natürlich ist die Prävention wichtig. Aber doch nicht bei Menschen, die schon jahrelang an der Adipositas erkrankt sind. Die benötigen eine Therapie.

Am Ende kommt dann noch die gesamtgesellschaftliche Aufgabe zum Zuge, die aber nicht alleine in der Verantwortung der Hausarztpraxen liegen kann.

Das hat sie noch nie und wird sie auch nie. Aber wir können alle unseren Beitrag zum Gelingen beitragen. Wenn wir wollen und wenn wir uns als Teil dieser „Gesamgesellschaft“ sehen.

Ehrlich gesagt, bin ich sauer und enttäuscht. Alle sabbeln von Patientenzentrierung und der „Patient Journey“. Also der Reise der Patienten auf ihrem Versorgungspfad. Hier scheinen die Reiseleiter allerdings lieber blau machen.

In dem Sinne ….

Hier geht es zu dem Positionspapier

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2 Kommentare

  1. Ceci Ceci 20. Februar 2023

    Lieber Micha,

    danke für diesen Blog. Du hast meinen Frust zu „Papier“ gebracht. Als Ernährungswissenschaftlerin in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis werde ich täglich mit enttäuschten Patienten konfrontiert. Die Patienten sind verzweifelt und hilflos. Sie werden abgestempelt und gleich aufgeben. Immer wieder höre ich, dass Ihnen keine Therapie angeboten wird. Wie soll da einer eine Chance haben!? Nur ein Ratschlag: „Essen sie weniger“.
    Unsere Praxis und die umliegenden Hausärzte unterstützen die Patienten mit meiner Ernährungsberatung bzw. durch den Diabetes mit einer Schulung. Die Resonanz ist sehr positiv und wird z.T auch mit vielen Tränen dankbar kommuniziert.
    Ich finde es sehr wichtig den Patienten mit einer multimodalen Langzeittherapie zu unterstützen. Deine Aussagen: „Klar ist die Therapie nicht einfach und es ist schwer für die Betroffenen die Adhärenz hochzuhalten. Das ist aber wie bei vielen anderen Krankheitsbildern auch. Also nichts neues.“ bringt es auf den Punkt. Wurde diesen Menschen überhaupt schonmal eine Hilfe angeboten? So wie sie es gebraucht haben?

    Die medikamentöse Therapie setzten wir bei gewissen Vorraussetzungen ein und der Erfolg ist wirklich sensationell. Sobald die Patienten mit einer Ernährungsberatung und der medikamentöse Therapie ein gewisses Gewicht verloren haben, fällt Ihnen die langfristige Umstellung deutlich leichter. Leider ist das Medikament eine privat Leistung. Depressive Verstimmungen (*ausgelöst durch das Gewicht) lassen nach, die Motivation wird gesteigert und das Selbstbewusstsein verbessert sich. Alles Gute Vorraussetzungen mit einer kontinuierlichen Betreuung ein gesunden Lebensstil zu führen. Ja, manche Patienten betreue ich auch jahrelang. Multimodal und Langfristig.

    Sauer und enttäuscht trifft es gut. Ich frage mich, was für eine Mehrarbeit gemeint ist? Ein Adipositas DMP würde dem Hausarzt/ärztin endlich ein Vergütung bringen. Aktuell wird das nicht honoriert (wie so vieles nicht).

    Ich muss sagen, das Positionspapier hat mich echt überrascht.
    Langfristig werden wird das Thema Adipositas aber nicht vermeiden können. Die Ärzte nicht, die Kasse nicht und wir als Gesellschaft auch nicht.

    • Micha Micha Autor des Beitrages | 20. Februar 2023

      Tja .. ich glaube man hat „Angst“ vor der Menge an Patienten. Man könnte sich ja zusammenschließen, Ernährungsfachkräfte mit ins Boot holen und los gehts. Aber wahrscheinlich denke ich zu einfach

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