Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Die Forderung nach dem Karenztag

In den letzten Wochen sind ja unterschiedliche Vorschläge zur finanziellen Sicherung des Gesundheitssystems oder zu der besseren Wirtschaftsleistung in Deutschland gemacht worden. Angefangen von der Wiedereinführung der Praxisgebühr bis jetzt zur Forderung nach dem Karenztag.

Karenztag – die nächste Sau wird durchs Dorf getrieben

Um was geht es eigentlich? Es geht um die Forderung, dass wenn man sich krankmeldet, der Arbeitgeber den ersten Tag der Krankschreibung nicht mehr bezahlen muss und die Arbeitnehmer diesen Tag unbezahlt zu Hause bleiben.
Aus meiner Sicht nicht nur ein zutiefst unsozialer Vorschlag sondern auch ein nächstes Bürokratiemonster für Unternehmen.
Mit der eAU ist es ja schon häufig in den Unternehmen problematisch, weil die Übertragung ab und an nicht richtig funktioniert. Das sind hoffentlich noch Kinderkrankheiten.

Die Forderung nach dem Karenztag ist vor allem ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen mit chronischen Erkrankungen. Menschen, die trotz Erkrankung einer Arbeit nachgehen (müssen) und ab und an durch die Erkrankung einen Tag Auszeit nehmen müssen, weil es einfach nicht geht.

Die Stiftung Gesundheitswissen hat ein schönes Fact-Sheet erstellt, welches die Anzahl der Menschen mit chronischen Erkrankungen aufzeigt. Mehr als 40% der Bevölkerung haben bereits eine chronische Erkrankung. Hier geht es zum Fact-Sheet.

Mal ganz abgesehen von allen anderen, die sich am Wochenende eine Erkältung einfangen und noch einen Tag zur Erholung brauchen, bevor es weitergehen kann. Oder unter der Woche

Faulenzertum wird impliziert

Am Ende unterstellt man den Menschen ja ein gewisses Faulenzertum.

Mal eben einen Tag zu Hause bleiben, weil man keine Lust hat


Natürlich gibt es diese Menschen. Aber das ist doch nicht die Masse. Und die gab es schon immer.

Allerdings ist die Vielzahl doch eher anders gestrickt.
Ich selbst bin auch so ein Typ. Es gibt Tage, da geht einfach nix. Da bin ich auch nicht arbeitsfähig. Ich könnte mich vielleicht auch zur Arbeit schleppen und dann den ganzen Tag irgendwie nix machen. Oder schlimmer noch, Fehler und vielleicht sogar Unfälle werden produziert. Mal ganz abgesehen davon, dass ich am nächsten Tag sicher nicht besser arbeitsfähig bin.

Krankschreibung ab ersten Tag

Auch das war ein Vorschlag der schon kam. Immer wieder mal. Selbst Arbeitsgerichte haben entschieden, dass Mitarbeiter in Einzelfällen zur Krankschreibung am ersten Tag verpflichtet sind.
Eine Vorgabe, die im Bauhauptgewerbe übrigens tariflich festgelegt ist. Für gewerbliche Mitarbeiter.
Angestellten vertraut man in der Baubranche anscheinend mehr. Diese können bis zu 5 Tagen ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu Hause bleiben. Laut Tarifvertrag.
Eine schöne Zwei-Klassen Gesellschaft in einer Branche. Herrlich.

Längere Fehlzeiten als Folge

Alleine das Vorurteil, dass Menschen, die nur einen Tag krank sind, faulenzer sind, führt am Ende dazu, dass die Fehlzeiten einfach länger werden.
Wenn Du heute zum Arzt gehst, wird die AU eh für die komplette Woche ausgestellt. Klar kann ich früher wieder arbeiten gehen, wenn es mir wieder besser geht. Aber mal ehrlich. Die Masse macht das nicht. Ich höre dann immer „Der Arzt hat gesagt“.

Überfüllte Praxen

Überfüllte Arztpraxen sind ein weiteres Thema. Wer schonmal frühmorgens eine Praxis besucht hat, die über eine Kassenzulassung verfügt und hausärztlich aktiv ist, weiß wie voll es da ist. Wie lange die Wartezeiten sind und wie die Stimmung ist.
Für mich ist prinzipiell jeder Arztbesuch Stress. Wenn ich nun morgens angeschlagen bin, kraftlos und platt, dann ist das letzte was ich brauchen kann, mich in dem Stadium „schick“ zu machen und mich dann ins Wartezimmer zu setzen. Gerade wenn ich weiß was mit mir los ist.
Ich belaste am Ende das Gesundheitssystem zusätzlich. Nicht unbedingt finanziell, weil die Pauschale vielleicht schon weg ist. Aber andere Ressourcen.

Chroniker wären gekniffen

Kommen wir nun zum eigentlichen. Menschen mit chronischen Erkrankungen wären richtig gekniffen, da hier kurze Ausfallzeiten öfters vorkommen können. Schlichtweg unsozial.

Mit Adipositas arbeiten / Mit chronischen Erkrankungen arbeiten

Gemeinsam mit anderen Patientenorganisationen und Wirtschaftsunternehmen ist vor Jahren das Projekt „Mit Adipositas arbeiten“ unter der Schirmherrschaft von Novo Nordisk gestartet. Im wesentlichen ging es darum, der Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas in der Arbeitswelt entgegenzutreten und aufzuklären.

Im Laufe der ersten Treffen haben wir schnell gemerkt, dass der Fokus auf die Adipositas zu kurz gegriffen ist und das Projekt auf „Mit chronischen Erkrankungen arbeiten“ausgeweitet haben.
Wen es interessiert. Es gibt eine Webseite https://www.mit-adipositas-arbeiten wo das Projekt sowie die durchgeführte Anthroplogische Studie veröffentlicht sind.

Gegen Diskriminierung von Menschen mit chronischen Erkrankungen im Job

Auf dem Kämpferherzen in Kassel haben wir das Thema innerhalb des DEEP Netzwerkes bei einem Live Talk diskutiert und im Anschluss auch mit Betroffenen gesprochen.

In diesen Gesprächen mit Betroffenen aus der MS, der Rheuma Community und anderen chronischen Erkrankungen ist mir klar geworden, wie weit verbreitet und vor allem wie groß das Problem ist.

Den ganzen „Deep-Talk“ könnt ihr auf der Webseite des Deep Netzwerkes nochmal ansehen. Folge 9 ist als Live Aufzeichnung entstanden. Aber auch andere spannende Gespräche findet Ihr hier.

Folge 8 entstand übrigens Live auf dem 1. DiaPositas Tag in Hamburg auf den ich besonders stolz bin, weil es eine tolle Veranstaltung war.

Die Einführung von Karenztagen oder ähnlichen seltsamen Vorschlägen würde die Millionen Menschen mit chronischen Erkrankungen extrem benachteiligen. Noch mehr als sie sowieso durch die Erkrankung schon sind.

Ich hoffe nur, dass unsere Solidargemeinschaft nicht noch weiter bröckelt und sich ein paar kluge Köpfe endlich mal Lösungen einfallen lassen, die langfristig und nachhaltig das Gesundheitswesen in ruhigere Fahrwasser bringen.

Veranstaltungstipp

Zum Abschluss noch ein kleiner Werbeblock
Am 5. April 2025 findet in Passau der 2. Gesundheitstag als DiaPositas Tag statt.
Eine Kooperation zwischem dem Klinikum Passau und der AdipositasHilfe Deutschland e.V.
Weiterhin ist der Diabetikerbund Bayern mit eingebunden.
Erste Infos zu der Veranstaltung gibt es hier

Facebooktwittermail

Gib den ersten Kommentar ab

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.