Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

„Die große Mode der Magenverkleinerungen“.

Moin,

alle die sich ein wenig mit der Thematik befassen ahnen es ja schon lange, dass die Verfahrensweise auf dem Weg zu einer Magen-OP auch eine Hürde für die Betroffenen darstellen sollen.

Nun konnte man die Tage Herrn Straub, seines Zeichens Chef der Barmer GEK, in Interviews und auch in der SZ wiederfinden.

In dem Bericht der SZ -> http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/operationen-eine-frage-des-gewichts-1.3096870 geht es schon der Überschrift um  „Die große Mode der Magenverkleinerungen“.

Liebe SZ .. hier zeigt sich wieder mal, wie man mit Schlagzeilen schon eine Richtung vorgeben kann. Die Überschrift hätte ja auch lauten können „Barmer GEK Chef sind die Dicken zu teuer“ oder „In zertifizierten Adipositaszentren ist die Magen-OP sicherer“.

Nein man spricht von „Mode“. Es zauberte mir zuerst ein Lächeln auf die Lippen. Das passiert meistens wenn ich sowas sehe und fast ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln (nein, kein Metallica im Hintergrund) bekomme. Es ist durchaus keine Mode sondern aktuell der letzte Weg den stark Übergewichtige gehen müssen. Meinen Sie man macht es sich einfach wenn man sich „mal eben“ ein Stück des Magens weghauen lässt?

Ich möchte mal auf einzelne Absätze eingehen:

Zitat aus der SZ
Würden alle Patienten, die an Fettleibigkeit leiden, in einem solchen Zentrum operiert, könnten die Kassen um 15 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden, rechnete die Barmer vor. Gleichwohl ist die Magen-Operation recht teuer: Im Vergleich zu Patienten, die nicht operiert werden, betragen die Zusatzkosten durch einen Eingriff in den ersten fünf Jahren nach der OP zwischen 8000 und 10 000 Euro. Auch sei die kurzfristige Sterberate etwas höher.

Das ist doch völlig klar. Welche konservativen Therapien die man ambulant durchführen kann werden denn von den Kassen bezahlt? Zwei oder drei? Welchen Erfolg haben diese?
Der Rest, liebe SZ ist nämlich Prävention. Bei einer Ernährungstherapie bekommt der Betroffene vielleicht einen Teil erstattet. Bewegung bekommt er nur über Reha Sport. Verhaltenstherapie? Schonmal versucht einen Therapeutentermin zu bekommen?
Kurzfristige Sterbensrate … Hallo? Wenn Sie jemanden mit BMI 70, 80 oder 90 operieren, dann ist da immer ein Risiko. Welche Alternativen hat der oder die „Dicke“ denn? Ach ja .. Ernährungstherapie als „Prävention“. Oder zum Beispiel Optifast-50 welches nicht flächendeckend verfügbar und die Langzeitquote auch nicht gerade der Bringer ist? Auch wenn das Programm ansich nicht schlecht ist.

Zitat aus der SZ
Barmer-Chef Christoph Straub sagte, dass Fettleibige sich oft viel von einem Eingriff am Magen versprächen. Dies gilt nicht nur im ästhetischen Sinne, sondern auch im medizinischen: Nach einer erfolgreichen OP sinkt das Risiko, an Diabetes und Bluthochdruck zu erkranken. Zugleich bezweifelt er, dass „wirklich immer die Patienten operiert werden, bei denen dies auch nötig ist“. Ein chirurgischer Eingriff dürfe nur das letzte Mittel sein, wenn andere Therapien keinen Erfolg bringen.

Lieber Herr Straub, wie Sie sicher wissen, werden Anträge auf Kostenübernahme nur dann genehmigt, wenn alle Voraussetzungen nach den S3 Leitlinien erfüllt sind. Dann schauen die „Spezialisten“ des medizinischen Dienstes geprüft. Wie also kann es sein, dass Leute operiert werden, wo es nicht nötig ist? Am Ende die, die einen Antrag stellen und dann von der Kasse gesagt bekommen, dass sie in eine spezielle Klinik sollen, dann würde auch kein MDK Gutachten nötig sein? Gibt es nicht? Doch. Schon oft erlebt.

Sie möchten in der Klinik X operiert werden? Wenn Sie in die Klinik Y gehen, dann wird Ihr Antrag sofort genehmigt, da die Klinik ein Vertragspartner von uns ist. Bei Klinik X muss der Antrag dann erst zum MDK und dann weiss man nicht wie es ausgeht.

Das ist der ungefähre Wortlaut von Telefonaten zwischen Kasse und Versicherten, die es tatsächlich gab. Teilweise wurden den Versicherten sogar die Fahrtkosten von NRW nach Hamburg bezahlt.

Wissen Sie eigentlich, wievielen Versicherten diese OP den Wiedereinstieg in Berufsleben ermöglicht hat? Richtige Beitragszahler. Wieviele Typ 2 Diabetiker benötigen keine Medikamente mehr?

Hätte ich ein Grundgehalt von >200.000 € / Jahr, hätte ich wahrscheinlich auch keinen Antrag auf Kostenübernahme gestellt und müsste mir auch keine Gedanken um die Kosten einer Ernährungstherapie machen. Aber wo soll eine Alleinerziehende, die HARTZ 4 bezieht, denn die mehr als 200 € hernehmen, die sie zur Ernährungstherapie als Eigenanteil zahlen muss? AOK Patienten ausgenommen, da die AOK eigene Ernährungstherapeuten hat. Wenn diese nicht krank ist

Und zu guter Letzt. Wenn ich höre dass die Kliniken daran gut verdienen, dann mag es sein, dass die Vergütung der OP vielleicht auf den ersten Blick ein leichtes Plus bei der Klinik bringt. Aber vielleicht sollte man mal die Kosten erfassen, die im Nachgang zur OP entstehen. Die Nachbetreuung die durch manche Kliniken geleistet wird, ist echt enorm und sehr aufwendig. Von der PräOP Phase mal gar nicht zu sprechen.

Den Chirurgen liegt zum größten Teil wirklich was an Ihren Patienten und die sind mega Engagiert. Ich hoffe für Sie, dass wenn Sie mal krank werden, ebenso engagierte Ärzte treffen. Und das nicht nur weil Sie ein Promi sind.

Wenn Sie, lieber Herr Straub, also wirklich etwas gegen Adipositas tun wollen, dann fangen Sie früher damit an und lassen Sie Ihre Versicherten nicht bis zum Ende alleine. Aber man wacht ja meistens erst auf, wenn es ans Geld geht. Ausserdem ist es ja immer gut, wenn man den Leuten signalisiert, dass die Dicken zu teuer sind und dann die Zusatzbeiträge erhöht werden.

Selbst Präventionsprojekte für Kinder finden kaum Zuspruch geschweige denn finanzielle Unterstützung.

Also .. als Dienstleister für seine Kunden wäre es gut wenn man sich vielleicht mal die Seite der „Kunden“ anhört.

Hierbei unterstützen die Selbsthilfeverbände der Adipositas bestimmt gerne. Sie kennen diese nicht? Ich helfe Ihnen gerne 😉

AdipositasHilfe Nord e.V.

Adipositas Verband Deutschland e.V.

Adipositas Chirurgie Selbsthilfe Deutschland e.V.

Adipositashilfe Verein NRW

 

Facebooktwittermail

5 Kommentare

  1. Susanne Hagedorn Susanne Hagedorn 28. Juli 2016

    Können wir Ernährungsfachkräfte denn überhaupt eine gute Therapie durchführen, wenn uns insgesamt drei Zeitstunden zur Verfügung gestellt werden, die bezuschusst werden? Oft habe ich das Gefühl, dass da etwas auf den Weg kommt und dann sind die fünf Termine vorbei. Ich kann meine Klienten nicht weiter betreuen, weil es am Geld hapert. Aber ich will und muss auch leben. Ich wünsche mir oft eine längerfristige Betreuungszeit ohne das die Finanzen im Nacken hängen. Vielleicht sollten die Herrschaften am „grünen Tisch“ mal darüber nachdenken. Und dann immer im Kopf zu haben, dass die Bezuschussung zur Ernährungstherapie ein KANN- keine MUSS-Leistung ist. Es sit auch für mich oft frustrierend.

  2. Anke Flüs Anke Flüs 29. Juli 2016

    Man kann sich immer weit aus dem Fenster lehnen, wenn man sich gut festhält, dann fällt man auch nicht. Hätten die Kassen vor Jahrzehnten schon damit begonnen, die Gelder in vernünftige Prävention schon im Kindesalter zu stecken anstatt in immer größere Bauten, dann wäre VIELLEICHT Adipositas erst garnicht so ein großer Kostenfaktor geworden. Desweiteren mangelt es massiv an Psychologen denen Sitze verwehrt werden. Ernährungsterapeuten die auf den Zahn der Zeit geschult sind. Immer häufiger erlebe ich Ernährungsberater, deren BMI höher ist wie der ihrer Schützlinge. Aber es ist halt einfach zu sagen die Dicken sind teuer. Wenn ich bedenke das von 10 jahrelang teuer therapierten Typ 2 Diabetikern 8 nach so einer Op das Thema Diabetis und die damit verbundenen immensen Kosten hinter sich lassen und den Rücken kehren, im welchem Verhältnis stehen dann die Kosten einer Magen Op? In wieweit der liebe Herr der Barmer GEK die medizinischen Vorgänge im Körper kennt sei mal dahingestellt, ich habe das Gefühl, man denkt immer noch, nach so einer Op könne der Patient nur weniger essen . Das können er wenn er nicht zu faul wäre auch ohne Op. Dann ab noch mal auf die Schulbank. Weil Grundwissen schon im Biologie Unterricht vermittelt wird. In diesem Sinne, schönen Tag

  3. Sonja Mannhardt Sonja Mannhardt 29. Juli 2016

    Ja, liebe Susanne, ich meine schon, dass professionelle Ernährungstherapie auch in 3 Zeitstunden sehr viel bewegen kann, anstoßen, klären und vor allem: Logisches von psychologischem zu trennen und aus „DEM Ernährungsverhalten“ oder der „Dicke essen einfach falsch“ Unverschämtheit das zu machen was nötig ist um „eine persönliche Lebensstiländerung“ einzuläuten. Dazu glotzen wir nicht auf „DIE gesunde Ernährung“, sondern auf ALLE Essverhaltensmuster, und suchen den Weg der kleinen Schritte; denn nur dann wird aus einer unsinnigen Pauschal-Diät eine auf einem genauen Assessment und einer individuellen Ernährungsdiagnostik fußenden Bestandsaufnahme ein je eigener, persönlicher Weg….

    Da wir das System nicht ändern können, kann sich nur die Einstellung von Betroffenen ändern: Warte ich weiterhin darauf, dass ALLES bezahlt wird, damit ich ein schlankeres Leben führen kann, oder begebe ich mich gleich unters Messer – mit all seinen NEBEN-Wirkungen oder – das ist die gesündere, kostengünstigere und befriedigendere Weise: Bezahle ich AB der 5. Folgeberatungen für gute und Ziel führende professionelle Ernährungstherapie selbst. Ein Jahr Begleitung, mit monatlichen Treffen, das sind pro Stunde weniger als ein Arzt verdient und weniger als ein Psychologe kostet….Also wer nur ein Kilogramm/ Monat durch professionelle Ernährungstherapie abnimmt, hat durch das, was NICHT gegessen wird, mindestens diesen benötigten Betrag erwirtschaftet….Sprich – unterm Strich kostet effektive Ernährungstherapie auch den Klienten wirklich so gut wie nichts…und – er bekommt obendrein INDIVIDUELLE Beratung, INDIVIDUELLE Begleitung, braucht keine Pülverchen, Pillchen oder andere Wundermittel zu kaufen und sich nicht irgendwelche Allgemeinfloskeln für jedermann, oder Verbote, Du sollst, Du musst, Du darfst nicht Floskeln anzuhören, sondern ECHTE Hilfe zur Selbsthilfe…ohne Narben, ohne Nebenwirkungen…..

    Dicke sind nur dann teuer, wenn man ihnen Hilfe untersagt oder permanent eintrichtert, es gibt nur noch Prävention (die nichts bringt), Psychotherapie (die teurer ist als Ernährungstherapie), Chirurgie (mit lebenslangen Kosten für das Gesundheitssystem, durch notwendige Medikament) oder Pharmakologie (Du kannst es nicht – also muss es die Chemie richten)…

    Sprich: Nur der Dicke, der dick bleibt ist ein „gutes Geschäft“, daher hat niemand Interesse an funktionierender multimodaler, ganzheitlicher, konventioneller Behandlung und Begleitung….An schlanken Dicken verdient das System kein Geld mehr. Ein Schelm, der böses dabei denkt 🙂

    Und Hartz IV und Alleinerziehend….Es sind pro Monat keine 200.- Euro aufzubringen – soooo viel verdienen wir nicht 🙂 – sondern nur so viel, wie in etwa ein Kilogramm Körpergewicht an Lebensmitteln und Getränke kostet….Bei mir sind viele bedürftige Menschen….Es gibt immer einen Weg. Der erste heißt: „Ich WILL professionelle Ernährungstherapie, anstatt jahrelang so weiterzumachen. Ich suche mir eine FAchkraft, der ich zutraue, dass sie mir helfen kann. Ich spreche meine finanziellen Möglichkeiten an und gemeinsam finden wir einen Weg.“

    • Micha Micha Autor des Beitrages | 29. Juli 2016

      Moin,
      ich hatte auch nichts von 200 € / Monat geschrieben 😉 Im übrigen sind die Kosten für Ernährungstherapien regionial wohl auch nicht ganz gleich. Und dass man das Geld einspart halte ich für einen Irrglauben, der auch immer gerne genommen wird. Alleine schon durch die Qualitätssteigerung bei den Lebensmitteln.
      Nach OP muss man nicht lebenslang kassenfinanzierte Medikamente nehmen. Man benötigt je nach OP-Methode Supplemente in verschiedenen Dosierungen, die eben nicht finanziert werden (völlig wertungsfrei geschrieben). Die Kosten liegen hier so im Schnitt bei 2,00-2,50 € / Tag. Wenn man nicht gerade das recht unwirksame Zeug aus dem Discounter nimmt 😉

      Ansonsten ist das schon richtig mit der Verhaltensänderung der Betroffenen. Da muss es sich schon noch rumsprechen, dass die Ernährungstherapeutin nicht der natürliche Feind des adipösen ist 😉

  4. Matthias Matthias 19. Januar 2017

    Hallo,

    ich finde den Bericht sehr gut. Natürlich sollte eine Magen OP immer der letzte Ausweg sein, aber es als Mode zu betiteln finde ich nicht in Ordnung. Ich würde es eher als eine Begleiterscheinung vom gesellschaftlichen Wandel sehen. Wir haben soviel Möglichkeiten uns gut sowie auch „schlecht“ zu Ernähren. Es kommt nicht nur auf die Grundlagen der Ernährung an, man sollte auch die Einstellung dazu aufbringen sich zu ändern. Es gibt viele Kleinigkeiten im Alltag, die mit Prävention und der richtigen Strategie beseitigt werden können. Dies kann letztendlich zur Abnahme führen und zu einem besseren Wohlbefinden.

    Gruß

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.