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Warum wir eine bundesweite Patientenorganisation benötigen …

… ein Thema welches dem ein oder anderen vielleicht gar nicht gefällt .. aber es muss leider sein .. sorry

Um dies so gut als möglich zu begründen, möchte ich erstmal ein wenig in die Historie der Vereine / Verbände und der Selbsthilfe im Bereich der Adipositas eingehen. Nur damit wir ungefähr alle den gleichen Stand haben.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es für schwer übergewichtige Betroffene nahezu keine Anlaufstellen. Das Thema „Therapie der Adipositas“ war in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Aus den USA schwappte bereits einige Jahre vorher schon das Thema „Magenband“ zu uns herüber obwohl weltweit die bariatrische Chirurgie schon einige Jahrzente durchgeführt wurde. Vereinzelt wurden auch schon Magenbypässe bzw. eher Gastroplastiken mit großen Bauchschnitten durchgeführt.

Die Betroffenen hatten allerdings kaum Ansprechpartner, die Hausärzte waren heillos überfordert und die Kliniken oftmals sehr weit weg. Sie waren mehr oder weniger alleine auf weiter Flur. Zu dieser Zeit entstand auch das erste deutschsprachige Forum für Betroffene von Betroffenen. Irgendwann 2004 oder 2005 wurde ich gefragt ob ich dies administrieren möchte und ich sagte zu, ohne überhaupt zu wissen was da auf mich zukommt. Als nahezu einzigste Plattform waren die Zugriffe natürlich enorm und der Bedarf an Informationen von Betroffenen nahezu unbegrenzt.

Im Jahr 2004 wurde der Verein Adipositaschirurgie-Selbsthilfe-Deutschland e.V. in Sachsenhausen mit Unterstützung der Klinik gegründet. Wie man aus dem Namen erkennen kann, befasste sich der Verein damals ausschließlich mit der chirurgischen Therapie. Ich würde mal fast behaupten, dass dieser Verein den Ausschlag für weitere Selbsthilfevereine und Gruppen gegeben hat.

Im Jahr 2006 gründete sich aus der Selbsthilfegruppe Dinslaken heraus der Adipositasverband Deutschland e.V., der in den vergangenen Tagen sein 10-jähriges Bestehen feiern konnte. Hier an dieser Stelle nochmal „Herzlichen Glückwunsch“. Der Schwerpunkt lag zu Beginn im Aufbau eines Internetforums, dass neben dem Austausch unter den Forenmitgliedern auch fundierte Informationen und Hilfestellungen geben sollte. Nach der Freischaltung des Forums für die Öffentlichkeit Ende Juli 2006, registrierten sich in der erst Nacht fast 200 User auf der Plattform.
Ein weiterer Schwerpunkt seit der Anfangszeit war der Aufbau von Selbsthilfegruppen in Nordrhein-Westfalen.

Weiterhin wurde in Schleswig-Holstein „Adiposa e.V.“ gegründet. Leider kann ich nicht weiter auf die Aktivitäten eingehen, da der Verein zum Jahreswechsel seine Auflösung beschlossen hat. Ebenso der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, der aus finanziellen Gründen aufgelöst wurde.

Last but not least wurde im Jahr 2013 aus der Selbsthilfegruppe Hamburg heraus die AdipositasHilfe Nord e.V. gegründet. Hauptgrund war das schwache Netz an Selbsthilfegruppen im Norden der Republik und die Tatsache, dass Kliniken, niedergelassene Ärzte und Therapeuten den Bedarf an Ansprechpartnern vor Ort haben. Die Betroffenen waren weitestgehend auf sich gestellt und die paar Kliniken, die bariatrische Chirurgie durchführten waren um jede Hilfe dankbar.
In den vergangenen drei Jahren wurden zahlreiche Selbsthilfegruppen aufgebaut, Beratungsstellen für Betroffene sowie Sportangebote für Betroffene initiiert. Obwohl der Verein die Bezeichnung „Nord“ im Namen trägt, handelt es sich – wie beim Adipositasverband Deutschland e.V.  um einen Bundesverband.

Hinzu kommen zahlreiche regionale Vereine, die ich nicht alle aufzählen möchte. Trotz allem sind diese sehr wichtig.

So .. kommen wir zum Eigentlichen.

In den meisten europäischen Ländern gibt es lediglich einen großen Patientenverband. Teilweise sind diese sehr stark an die Politik angebunden und werden als Berater herangezogen. In Deutschland haben wir letztendlich drei große Vereine und zahlreiche kleine Vereine.
Diese Vereine haben allerdings leider keine Gesamtstruktur und jeder kämpft für sich. Und da sieht man das Dilemma. Wenn man nicht mit einer Stimme spricht, kommt man nicht weit. Man erreicht vielleicht im kleinen etwas und hört immer wieder, wie wichtig doch die Selbsthilfe ist und dass man es toll findet was Ehrenamtliche so machen. Manchmal hat man allerdings das Gefühl, dass man uns Vereine nicht immer ernst nimmt. Gerade wenn es um medizinische Belange geht, traut man uns die entsprechende Expertise nicht zu.

Auch haben manche wohl das Gefühl, dass ein Dachverband ihnen etwas wegnehmen möchte und Angst vor Bevormundung haben. Auch kommt immer die Frage „Was haben wir davon?“ Sorry, dass ist eine Frage wo ich immer Schnappatmung bekomme. Alle schreiben sich auf die Fahne, dass sie Betroffenen helfen möchten. Und es ist auch gut wenn man vor Ort etwas macht. Aber auf Dauer muss sich was an der Gesamtsituation ändern. Die Therapie der Adipositas muss voll finanziert werden. Es muss einheitliche Nachsorgekonzepte geben und diese müssen auch finanziert werden. Die medizinischen Dienste müssen einheitlich agieren und nicht regional unterschiedlich. Kinder und Jugendliche müssen frühzeitig therapiert werden und das nicht nur in 6 oder 12 Wochen Klinikaufenthalten. Ausserdem müssen die Eltern mit einbezogen werden.

Allein diese Punkte können nur auf politischer Ebene geklärt werden. Und hierfür muss man einen Dachverband haben unter dem sich alle Vereine und Verbände sammeln. Nur so kann man was an dem Zustand ändern.

Ein Blick auf die Diabetiker zeigt es doch. In der Politik ist die Diabetes in aller Munde. Das ist auch sehr wichtig. Die Diabetiker haben aber allesamt starke Interessensvertretungen. Die Betroffenen ebenso wie die Ärzte. Und es macht den Eindruck, dass diese sogar miteinander arbeiten. Zahlreiche andere Betroffenenverbände praktizieren dies ebenfalls.

Bei der Adipositas hat man das Gefühl, dass sich nichtmal die Internisten und Chirurgen einig sind. Aber wir Betroffenen haben doch alle das gleiche Anliegen. Es braucht eine zentrale Anlaufstelle. Hier würde ich dann auch die Deutsche Adipositas Gesellschaft und die anderen Fachschaften gerne mehr in die Pflicht nehmen. Gleichzeitig die Aufforderung die Betroffenenverbände mit einzubeziehen und als vollwertige Partner anzusehen. Man soll es nicht glauben … die Betroffenen können mehr als man denkt.

Und man darf nicht vergessen. Möchte man die Diabetes mellitus wirksam „bekämpfen“,muss man zwingend die Adipositas bekämpfen. Die Masse der Typ 2 Diabetiker sind adipös. Aber auch das muss man der Politik begreiflich machen. Ja ich weiss .. bei den vielen Dicken würde die Therapie Milliarden kosten. Aber muss ich als kleiner Doofmann denn der Politik vorrechnen wie hoch die Folgekosten der Unterlassung und der Begleiterkrankungen sind?

Und da bin ich wieder bei meiner Aussage „Wir brauchen einen Dachverband“. Es hilft nichts wenn alle jammern und gegen die Politik schimpfen. Von jammern hat sich noch nichts gebessert. Jammern bedeutet, dass man darauf wartet, dass ein anderer was tut.

Nichtstun und Selbstbeweihräucherung wie toll wir sind und was wir alles machen ohne wirklich was zu bewegen, bringt uns nicht weiter.

Und meine Gedanken, die bei der Frage „Was bringt uns das?“ aufkommen möchte ich nicht kundtun 😉

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4 Kommentare

  1. Marita Börst Marita Börst 7. Juni 2016

    Hallo Micha,

    endlich mal einer der das ganze dilemma in deutliche Worte fasst!!
    D A N K E
    Ihr wisst, wenn ich euch in irgendeiner Weise unterstützen kann, werde ich das auch tun. Frei nach dem Motto “ Einer für Alle und Alle für einen“
    Die angesprochene Diabetis ist eben nicht Sichtbar, darum kann man auch darüber sprechen. wir Dicken sind nicht zu übersehen und deshalb hät man sich bzw. uns gerne unter verschluss?!?!
    Wenn Einer, sprich Dachverband, unser Anliegen in die Hand nimmt und klare Strukturen vor gibt ist das eine gute Sache. Es beginnt ja schon alleine damit das zig Kliniken auch zig Verhaltensregeln haben, siehe Ernährung nach OP oder wie oft muss eine SHG besucht werden usw usw.
    Ich wünsche Euch und eigentlich nicht nur euch sondern UNS allen das endlich was passiert.

  2. Monika Monika 11. Juni 2016

    Ich bin froh das, dieses Thema mal angesprochen wird, Die Diabetes wollen die Ärzte behandeln doch bei dem Thema Übergewicht hört man nur nehmen sie ab, nur Helfen tut dabei keiner.
    Danke für diesen Blog

  3. Klaus-Peter Klaus-Peter 13. Juli 2016

    Bei der Therapie der Adipositas gibt es keine Pillen und keine passenden Injektionen – das ist bei der Diabetes anders, die wird behandelt, wenn auch meistens nicht geheilt.
    Man sollte meinen, Adipositas sei heilbar, zumindest zu kurieren – ein Patentrezept hierfür wird es aller Erfahrung nach nie geben. Insofern sind die Hausärzte immer noch überfordert.
    Die geeignete Therapie ist nun mal nicht nur Ernährung und Sport…
    Wenn fürs Übergewicht ein ungesunder Lebensstil, für diesen wiederum die eigene Einstellung zum Leben und zu sich selbst verantwortlich ist, wird der Arzt davon ausgehen, dass das nicht sein Probem ist…
    Selbsthilfegruppen haben bis dato vermutlich auch kein allgemein gültiges Konzept, können aber für die Betroffenen hilfreich sein.

    Ein dichtes Netz von Selbsthilfegruppen könnte auch einen gewissen Einfluss nehmen – wenn alle sich einig sind, welche (politischen) Forderungen gelten sollen.

    Bisher allerdings haben die Selbsthilfegruppen es gar nicht einfach – allein schon, eine zu begründen und am Laufen zu halten, kostet Kraft und Energie, erst recht, wenn man das Gefühl bekommt, der Aufwand würde nicht einmal ideell gewürdigt.

    • Micha Micha Autor des Beitrages | 13. Juli 2016

      Moin,
      Selbsthilfegruppen haben in der Tat kein „Konzept“. Sie sollen ja auch keine Therapie durchführen. Es gibt allerdings Regeln für die Selbsthilfe.

      • Unabhängigkeit und Selbstbestimmt (da haben so manche Kliniken bzw. Ärzte ihre Probleme damit)
      • Neutralität
      • für alle offen (nicht nur die, die in der Klinik behandelt werden
      • Von Laien geleitet
      • Ansonsten versuchen die Selbsthilfeverbände ihre SHG Leiter auf Fortbildungen zu unterstützen und immer wieder mit frischen Infos zu füttern. Dummerweise macht die Therapie der Adipositas gar nicht so große Fortschritte.

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