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Ab wann ist eine konservative Therapie erfolgreich?

Das ist die Frage aller Fragen.

Es ist ja leider so, dass viele Betroffene erst richtige Unterstützung und fachliche Hilfe erhalten wenn sie sich mit dem Thema Chirurgie befassen. Ja, das liegt vielleicht auch teilweise an den Betroffenen selbst. Häufig wissen die Menschen aber nicht an wen sie sich wenden können.

Die Zahl der – wirklich wichtigen –  Schwerpunktpraxen ist leider noch viel zu gering. Von flächendeckender Versorgung im ambulanten Bereich kann niemand sprechen.

Die Adipositaszentren, die vom Grund her eher chrirurgisch orientiert sind, was Anzahl und Verteilung angeht, schon besser aufgestellt. Und glücklicherweise bieten diese auch konservative Therapieansätze bzw. unterstützen diese mit regionalen Partnern. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es für den chirurgischen Eingriff selbst auch eine DRG – also eine Abrechnungsrundlage gibt. Im konservativen Bereich muss sich der Mediziner mit irgendwelchen Abrechnungsziffern behelfen. Wenn überhaupt. Ansonsten geht alles aus der Tasche des Erkrankten.

Aber kommen wir zurück zu der Ausgangsfrage bzw. zum Titel dieses Beitrages

Ab wann ist eine konservative Therapie erfolgreich?

Für mich ist eine Therapie erfolgreich, wenn

  • ich geheilt bin
    oder
  • mein Zustand mir ein normales Leben ermöglicht

Ich glaube, da sind wir uns relativ einig, oder?

Nicht im Bereich der Therapie der Adipositas

Eine konservative Therapie der Adipositas wird schon als Erfolg gesehen, wenn ich eine Gewichtsreduktion von 10% erreicht habe.
Gerade die, die sich auf Grund ihrer Erkrankung gerne der chirurgischen Therapie unterziehen möchten weil alle Versuche in den letzten Jahren ins Leere liefen, werden relativ schnell damit konfrontiert.

Wenn ich nämlich innerhalb der Zeit der konservativen Therapie – die ja mindestens 6 Monate andauern muss – mehr als 10% meines Gewichtes verliere, dann bekomme ich in der Regel keine Kostenzusage für die chirurgische Therapie.

Ein Beispiel:

Männlich, 43 Jahre, 1,83 groß, 165 kg entspricht einem BMI von 49,3 kg/m²

Gewichtsverlust während einer 9-monatigen konservativen Therapie von 15% entspricht knapp 24,75 kg.

Der BMI liegt dann immer noch bei 41,8 kg/m²

Nun ist es so, dass die Therapie als erfolgreich eingestuft wird. 15% Gewichtsverlust ist übrigens ein Ansatz, den meines Wissens kaum ein konservatives Programm in den Studien erreicht. Zumal die in den Leitlinien genannten Programmen mit weitaus geringeren mittleren BMI – Probanden stattgefunden haben. Dies sieht man auch an der folgenden Tabelle.

Übersicht Gewichtsreduktionsprogramme

Quelle: https://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014.pdf

Die Frage, die sich mir also stellt ist, ob man wirklich aus medizinischer Sicht sicher ist, dass man hier von „Erfolg“ spricht, wenn sich die Betroffenen dann immer noch im Bereich Adipositas Grad 2 bzw. Adipositas Grad 3 befinden und die Gefahr von Begleit-/ Erkrankungen in keinster Weise gemindert ist. Natürlich sollte eine Operation der letzte Ausweg sein.

Aber man muss nun eben auch mal der Realität ins Auge sehen und uns nicht davon leiten lassen was wir denken was richtig ist, weil wir die Krankheit nicht verstehen.

Erschreckend ist auch, dass nach einer Umfrage der AdipositasHilfe Deutschland e.V. aus dem Jahr 2018 von 561 Befragten Betroffenen mehr als 500 Betroffene die erste Ernährungstherapie mit einem BMI >40 kg/m² gestartet haben.

Beginn Ernährungstherapie

Und falls nun jemand sagt, dass ja einiges angeboten wird … hier die Antwort

 

Faktisch gibt es im Moment für Menschen mit Adipositas Grad 2 und 3 keine konservativen Therapieansätze, die langfristig Erfolg versprechen.

Die chirurgische Therapie ist im übrigen auch kein Erfolgsgarant, auch wenn die Chancen um einiges höher stehen, dauerhaft den BMI zu reduzieren.

Zum Abschluss bleibt dann nur noch die Frage ob der BMI prinzipiell ein wirksames Mittel ist um eine Krankheit einzustufen.

EOSS von Dr. Sharma scheint mir durchaus eine bessere Möglichkeit der Bewertung des Gesundheitszustandes

 

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4 Kommentare

  1. Susanne Hagedorn Susanne Hagedorn 26. Mai 2020

    Da stellst Du eine schwierige Frage. Kann ich es als Diätassistentin überhaupt verantworten wenn ein Patient in einem halben Jahr 10-15% seines Gewichtes abnimmt? Ich muss ja dann immer vom Ausgangsgewicht ausgehen und da relativieren sich die Zahlen. Genau, wie Du es hier aufzeigst.
    Um bei deinem Rechenexempel zubleiben: Knapp 25 kg in 9 Monaten, rein rechnerisch und praktisch natürlich alles machbar, aber ob es sich dann wirklich um eine gesunde Gewichtsabnahme handelt? Und ist diese Abnahme dann auch zu halten bzw. auszubauen? Aber das ist dann wiederum eine sehr individuelle Sache, was der Patient dann möchte.

    • Micha Micha Autor des Beitrages | 26. Mai 2020

      Hallo Susanne,
      was die Patienten wollen ist auch eine interessante Fragestellung 😉

  2. Ina Ina 6. November 2020

    Hi Micha,
    ich habe deinen Artikel gerade gelesen und habe dazu ein paar subjektive Erfahrungen.

    Kurz zu meinen Daten, ich möchte eine baritätische OP nach eingehenden Überlegungen möglichst vermeiden. Ich hatte 2016 mit 25J 168cm bei 182kg einen BMI von ca. 63. Ich habe damals gesund mit Kalorienzählen (App ca.2500kcal pro Tag) und Sport in 7-8 Monaten 20kg verloren. und auch bis 2020 mit leichten Schwankungen gehalten.
    Dieses Jahr habe ich Jan-Oktober (April-Juli Pause) also in 2x 3Monaten insg. 20kg auf die gleiche Weise verloren (2200kcal Tag, da Grundumsatzmessung geringer ausfiel).
    10-15% sind in 9 Monaten also durchaus gesund machbar, zumal ja kein reines Fett, sondern u.a. auch Wasser abgenommen wird – besonders anfangs.
    Nun wollte ich sicherstellen dass ich weiter und v.a. über den Winter durchhalte. Ich bin zu einem Adipositaszentrum. In diesem ist die Ernährungstherapie kostenlos, da ich Coronabedingt einen Engpass habe, schien das perfekt.
    Meine Vorstellung: monatliche Selbst-Hilfe-Gruppen-Meetings und EB-Termine um mich am Ball zu halten und mich zu motivieren…

    Realität: SHG Meetings zielten nur auf OP Vorbereitung und Antragsstellung ab. Eine SHG die auch nur ansatzweise konservativ fokussiert ist, ist weder der/dem SHG-Leiter/in noch der Erstberatenden Person eines anderen Adipositaszentrum bekannt. Ernährungsberatung des Hauses (kostenlos) zielt nur auf Vor-Op und Nach-OP Ernährung ab. Und der/die erstberatende (= bariatrische) Arzt/in ging auch null auf konservative Therapie ein. „Die PatienInnen die hier herkommen haben ja schon Alles erfolglos durchprobiert“
    Meine ü40Kg Abnahme aus eigener Kraft wurde ohne auch nur zu zucken kommentarlos im Raum stehen gelassen. Und auch dass ich zum Ziel habe es vor einer OP konservativ versuchen möchte.

    Ob man in den letzten Jahren mal eine Ernährungsberatung gemacht hat, erfragt keiner… und in den SHGs kommen von Teilnehmern fragen wie „Wann sollten wir denn mit dem Sport anfangen“ -soviel zu „Alles durchprobiert“

    Eine konservative Therapie findet man nur dem Namen nach auf der Website.

    Für mich bedeutet das Multimodale Therapiekonzept welches die KK vor einer OP Genehmigung vorschreiben, dass man ein letztes Mal alles konservative Ausschöpft. und nicht dass alles ab dem ersten Kontakt nur auf – OP und was ist formal nötig um den Antrag zu stellen – gemünzt ist.

    Ich bin wirklich enttäuscht. Nun spare ich auf eine bezuschusste Ernährungsberatung eines externen Anbieters, denn mein Kopf sagt ganz klar: „Coole Idee einer kostenlosen Ernährungberatung, aber die Kosten einer bariatrischen OP sind für meinen Körper und mein restliches Leben verdammt hoch und – in fester Überzeugung – noch vermeidbar.“

    Gruß, Ina

    • Micha Micha Autor des Beitrages | 6. November 2020

      Hi Ina,
      vielen vielen Dank für deine offenen Worte.
      Genau diese Erfahrungen, die Du beschreibst kenne ich auch.. Es gibt allerdings auch Ausnahmen.
      Trotz allem bin ich ein Verfechter, dass die konservativen Therapien aus den Kliniken herausgelöst werden. Zumindest da, wo die Adipositaszentren in der chirurgischen Abteilung aufgehängt sind.
      Wobei man den Kliniken da vieleicht auch nicht alleine den Vorwurf machen kann. Diese versuchen oftmals ihre Patienten bestmöglich auf die OP vorzubereiten.

      Ach ja .. und wenn Du vielleicht eine SHG gründen möchtest, die anders ist .. melde Dich 😉

      Gruß
      Micha

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